Regionale Wertschöpfung - Anbau, Aufbereitung, industrielle Verwertung
Datum und Zeit: 06. Dezember 2022, 10:00 – 17:00 Uhr Besichtigung: Zwickauer Kammgarn GmbH, Schneeberger Str. 135, 08112 Wilkau-Haßlau Tagung: KulturWeberei, Seilerstraße 1, 08056 Zwickau
Quo vadis Landwirtschaft – Industrierohstoffe wie Faserpflanzen als hochpreisliche Ergänzung im Agrarbetrieb
Die Anforderungen an die Landwirtschaft, gesellschaftlichen Erfordernissen gerecht zu werden, fordert zunehmend den einzelnen Landwirtschaftsbetrieb. Diskussionen, Wege aus dieser Spirale zwischen Forderungen an nachhaltiger und umweltgerechter Landwirtschaft und weiterhin möglichst niedrigen Preisen zu finden, sind vielfältig und nicht erst in den letzten Wochen und Monaten sehr deutlich geworden.
Augenscheinlich ist dabei das Grundproblem, dass sich die Produzenten in der Regel mit landwirtschaftlichen Grundprodukten ohne Veredelungsstufe, wie Getreide, Fleisch und Milch auf überregionalen Massenmärkten mit globalen Konkurrenzsituationen bewegen. Alternative Strategien z.B. durch den Anbau von Bioprodukten oder eine explizit regionale Vermarktung sind nur in vergleichsweisem kleinem Maßstab möglich und werden, z.B. wie bei Bio-Produkten zu sehen, teilweise bereits wieder durch den weltweiten Freihandel konterkariert.
Sich mit einfachen, massentauglichen Produkten dem globalen Wettbewerb auszusetzen, haben einige Industriebranchen in Deutschland im Vergleich in den letzten Jahrzehnten nicht überlebt oder mussten sich neu erfinden. Als Beispiel sei die ostdeutsche Textilindustrie zu nennen, in der bis zur Wende textile Massenprodukte hergestellt wurden. Insbesondere nach der Wiedervereinigung konnten diese dem Preisdruck asiatischer Wettbewerber oft nichts entgegenhalten. Entsprechend fatal, war die Entwicklung allein in dieser Branche nach 1990 durch ein massives Wegbrechen von Produktionskapazitäten gekennzeichnet. Im Gegensatz zur Industrie wurden Entwicklungen im Agrarsektor in den neuen Bundesländern, wie auch im Rest Deutschlands, durch die Direktzahlungen der europäischen Agrarpolitik von dieser Entwicklung aufgefangen.
Die beschriebenen, und zunehmenden Forderungen an die Landwirtschaft und die Entwicklungen an den landwirtschaftlichen Massenmärkten verdeutlichen die Notwendigkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.
Auf der Suche nach solchen Alternativen ist vielleicht der vergleichende Blick auf die Entwicklung der Textilindustrie sinnvoll und zielführend. Diese Branche hat sich im Grunde auf Basis der Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten neu erfunden. Aus Herstellern von traditioneller Kleidung, wie T-Shirts und Lodenmäntel oder Heimtextilien, wie Tischwäsche oder Gardinen wurden zunehmend teilweise hoch spezialisierte Automobilzulieferer und Produzenten elektrisch leitfähiger Textilien, kühlender Vorhänge oder medizinischer Textilien, oft mit globalen Alleinstellungsmerkmalen.
Auch die Landwirtschaft bietet bekanntermaßen Möglichkeiten, vom Produzenten einfacher Massengüter zu Herstellern von landwirtschaftlichen Spezialrohstoffen zu werden. Dabei ist nicht zu erwarten und auch nicht sinnvoll, die gesamte Produktion eines Betriebes auf ein neues Geschäftsfeld auszurichten. Erfolgreiche Beispiele zeigen jedoch, dass mit einer Diversifizierung nach einer entsprechenden Investitionsphase positive Sektorergebnisse erzielt und damit die Krisenfestigkeit des Gesamtunternehmens erhöht werden kann.
Faserhanf als Industrierohstoff könnte unter deutschen Bedingungen in der Landwirtschaft und vor dem Hintergrund zunehmender Nachfrage nach hochwertigen Faserrohstoffen eine Möglichkeit sein, hier erfolgreich zu werden. Tatsache ist jedoch, dass die enthaltene Faser geeignet ist, in hochwertigen textilen und techtextilen Anwendungen eingesetzt zu werden. Die technischen und technologischen Grundlagen für eine Umsetzung solcher Wertschöpfungsketten sind vorhanden.
Das der Anbau und die Verarbeitung von Faserpflanzen wie Hanf und Faserlein lohnend ist und sich als wichtiges Standbein entwickeln kann, zeigen sowohl die historische als auch die aktuelle Entwicklung in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden, wo intensiv der Sektor durch zusätzliche umfangreiche Investitionen in Aufschlusstechnologie weiterentwickelt wird.
Das nachgewiesene positive ökologische Image in Verbindung mit den interessanten Eigenschaften der Fasern wecken verstärkt das Interesse unterschiedlicher industrieller Marktteilnehmer. Allerdings stehen diesen Unternehmen eben noch viel zu wenige, regional und nachhaltig erzeugte Rohstoffe in benötigter Menge und Qualität zur Verfügung.
Beispielsweise führt in der Bekleidungsindustrie allein der Nachweis der regionalen Produktion zu einer zunehmenden Bereitschaft, sich kommerziell an entsprechende regionale Lieferanten zu binden. Andererseits sieht sich der einzelne Landwirt mit seinem umfassenden Aufgabenspektrum im Betrieb nicht in der Lage, solche Anfragen zu bedienen, was zu einem typischen Henne-Ei-Problem führt. So zeigen vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und den Erfahrungen in den Nachbarländern das Erfordernis, auch in Deutschland die nötigen Strukturen und geeignete Geschäftsmodelle zu entwickeln, um Hemmnisse zu beseitigen und die Potenziale zu nutzen.
In der Kette Rohstoffproduktion – Erstaufbereitung bzw. Faserproduktion – Halbzeugherstellung - Finalproduktion stellte der Faserproduzent in der Vergangenheit immer das schwächste und angreifbarste Glied dar. Eine dauerhafte betriebliche Entwicklung in Krisenzeiten war durch hohe Flexibilität der Produktionsrichtung in der Landwirtschaft einerseits und hoher Flexibilität beim Rohstoffeinkauf der Faserkäufer anderseits kaum möglich. Dafür bezeichnend ist die gegenwärtige Situation in der deutschen Naturfaserproduktion mit aktuell nur 4 solchen Betrieben nach einer Vielzahl von Gründungen und Betriebsaufgaben in den vergangenen 30 Jahren.
Die Herausforderungen sind vielfältig, nichtsdestotrotz zeigt die aktuelle Anbaustatistik, dass Hanf durchaus (wieder) das Interesse der heimischen Landwirte weckt. Im Jahr 2022 wird Hanf auf einer Fläche von knapp 7000 ha in Deutschland angebaut, das ist eine Verdopplung der Fläche innerhalb von 5 Jahren. Neben den agronomischen Vorteilen bietet diese Kultur bei entsprechender Nachfrage demnach eine gute Möglichkeit zur Etablierung einer funktionierenden Wertschöpfungskette. Im Gegensatz zum Ernährungssektor, das heißt der Vermarktung und Hanfsamen und -blättern fehlt diese bisher für die Aufbereitung und Nutzung der Stängelkomponente.
Mit sich ändernden Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft, aber auch in der Faserindustrie lässt sich diese Schwachstelle durch Entwicklung und Umsetzung intelligenter Geschäftsmodelle z.B. bei intensiverer Einbeziehung der vorgelagerten und/oder nachgelagerten Produktionsbereiche zu einem strategischen Vorteil wandeln.
In einer Veranstaltung des SMEKUL, der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH, in Kooperation mit Agronym e.V., Sachsen-Leinen e.V. und dem Sächsischen Netzwerk Biomasse e.V. werden am 6.12.2022 Fragen des Anbaus, der Ernte, der Fasergewinnung, aber auch der Entwicklung von Geschäftsmodellen zur wirtschaftlich erfolgreichen Umsetzung von Hanffaserproduktlinien unter Nutzung vorhandener regionaler Potenziale und sich entwickelnder Märkte besprochen.
Das Programm zur Veranstaltung und der Anmeldelink können Sie aus dem Programm entnehmen:
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