2023 ist mit der Halbierung der Flachs- und Hanfernte zu rechnen
Andauernde Hitzewellen, Dauerregen auf vertrocknete Böden und Überschwemmungen – all das setzte dieses Jahr auch den Flachs- und Hanfpflanzen mächtig zu. Bereits im Juli berichtete die Flachsbranche in Westeuropa über einen erheblichen Rückgang der Produktion von Langfasern. Die Europäische Flachs- und Hanf-Allianz (ehemals CELC) geht nun davon aus, dass die Ernte an langen Fasern im Vergleich zum Jahr 2022 dieses Jahr halbiert sein wird!
Drei Viertel des weltweiten Flachses wachsen in einem Streifen von der Normandie bis zu den Niederlanden, was auf das günstige Wetter für den empfindlichen Anbau zurückzuführen ist. Während die Hitzewellen im Frühjahr und Frühsommer das Wachstum der Stängel hemmten, behinderten die Regenfälle in diesem Gebiet im Sommer die Phase des Röstens. Normalerweise werden die gerauften Pflanzen auf den Boden gelegt, damit eine Mischung aus Sonne und Niederschlag das Stroh auf natürliche Weise von den Fasern trennt. Unter den gegebenen Bedingungen war das natürlich nur schwer möglich.
6 bis 12 Prozent der 147.000 Hektar Anbaufläche konnten durch die schlechten Bedingungen nicht geerntet werden. Die Allianz ist bei ihren Prognosen zwar vorsichtig, weist aber darauf hin, dass in diesem Jahr nur 12-15% der Erträge aus langen Fasern bestehen werden, die für den Textilmarkt bestimmt sind. Mit 400 bis 500 Kilogramm pro Hektar auf den meisten Feldern bedeutet dies, dass die Erntemenge im Vergleich zur Ernte 2022 halbiert wird.
"Die Versorgung der Frühjahr-Sommer-Saison 2024 wird kaum beeinträchtigt, da diese mit Garn und Stoff versorgt wird, die aus der Zusammenstellung verschiedener Faserpartien aus früheren Jahren stammen.", erinnert die Allianz im Juli dieses Jahres. „Die Höhe der Stroherträge nach der Röste und damit die Produktionskapazität in den nächsten Monaten ist Gegenstand laufender Schätzungen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Preisdruck bei gleichbleibender Nachfrage nach Flachs vor dem Hintergrund einer weltweit steigenden Nachfrage nach Naturfasern anhält."
Diese Situation veranlasst die dafür aus bodenklimatischer Sicht geeigneten Regionen in Westeuropa dazu, die Aufmerksamkeit auf Winterflachs zu richten, der im Herbst statt im Frühjahr gesät wird und eine Anpassung an veränderte Klimabedingungen ermöglichen könnte. Die 10.000 bis 11.000 Hektar, die in diesem Jahr für diese Winterflachssorten vorgesehen waren - doppelt so viel wie im Vorjahr -, profitierten von den günstigeren Startbedingungen der Pflanzen nach dem Winter. Es wird demnach erwartet, dass 6,5 bis 7,5 Tonnen Stroh dabei geerntet werden können. Für unsere mitteleuropäischen Anbaubedingungen kommt Winterflachs derzeit noch nicht in Betracht, da zu starke Kahlfröste im Winter hier zu Auswinterungserscheinungen bis zum Totalverlust der überwinternden Pflanzen führen kann.
Welche Reaktionen sind aus dieser Gesamtentwicklung im Jahr 2023 zu erwarten?
Verringerte Produktionsmengen an Langfasern bei wachsender Nachfrage wird zu intensiven Preiserhöhungen für gute Textilqualitäten am Weltmarkt führen. Schlechtere Langfaserausbeute führt eigentlich zu mehr Werg- und damit Kurzfaseranfall, was sich bei größeren Fasermengen auf dem Markt eigentlich in geringeren Preisen widerspiegeln sollte.
Ob das so eintrifft, ist zu bezweifeln, da die Nachfrage nach kurzen Fasern weiter ansteigt und die Textilindustrie das Langfaserdefizit am globalen Textilmarkt durch Wergfaserverspinnung und Verarbeitung cottonisierter Flachsfasern versucht auszugleichen.
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